Weg von billiger ist besser

In der aktuellen Studie "Wir nach Corona" der Haufe-Gruppe wurden 1600 Personen gefragt, welche wirtschaftlichen Folgen sie für ihr Unternehmen erwarten. Wir sprachen mit Haufe-Geschäftsführer Joachim Rotzinger über Optimisten und Pessimisten, 19-Euro-Flugtickets und den Überlebenswillen des Mittelstands.

Herr Rotzinger, in Ihrer Studie teilen Sie die befragten Unternehmen in folgende Kategorien: die Schlagkräftigen, die Hoffnungsvollen, die Unsicheren und die Resignierten. Welche Branchen finden sich in den einzelnen Clustern?
Eine eindeutige Zuordnung ist nicht möglich. Wir sehen in allen Clustern auch alle Branchen vertreten. Das hängt damit zusammen, dass nicht nur harte Faktoren wie Umsatzverluste oder zusammengebrochene Lieferketten eine Rolle spielen. Vielmehr ist auch relevant, wie veränderungsbereit ein Unternehmen ist und wie Führungskräfte und Mitarbeiter in die Zukunft sehen – ob optimistisch oder pessimistisch. Getreu der self fulfilling prophecy – je mehr ich mir und meinem Unternehmen zutraue, desto optimistischer bin ich auch.
 
Worin zeigen sich der Optimismus und der Pessimismus?
Es gibt Unternehmen, die schließen zu und gehen zu 100 Prozent in Kurzarbeit, andere stellen die Produktion um und fertigen Masken. Wieder andere produzieren statt Zulieferteile nun Ventilatoren. Die einen Messebauer gehen in Kurzarbeit, die anderen produzieren Spuckwände.
 
Also waren Unternehmen durchaus kreativ in der Krise, wie Ihre Beispiele zeigen. Überrascht Sie das?
Eigentlich nicht. Was ursprünglich negativ besetzt war – dieses Made in Germany – hat sich in den vergangenen 50 Jahren als Marke etabliert. In den intelligenten, smarten Mittelständlern steckt so viel Kreativität, Schaffenskraft und am Ende des Tages auch Überlebenswille. Bei uns ist es ähnlich, wir haben ein großes Seminarangebot, das in der Krise zum Erliegen gekommen ist. Wir haben dann Online-Kurse aus dem Boden gestampft und zwar in einer Kurzfristigkeit, die schon atemberaubend war. Dazu haben wir noch 2000 Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt.
 
Mit welchen Fragen kamen die Unternehmen in der Krise zu Ihnen? 
Wir sehen unterschiedliche Phasen, die Unternehmen in der Krise durchlaufen. Erst ist da die absolute Vollbremsung und Bereitschaft einen U-Turn hinzulegen. Dann geht es darum, die Mitarbeiter in die mobile Arbeit zu schicken. Und dann die Frage: Wie gehen wir mit Kurzarbeit um, wenn es möglicherweise keine andere Chance mehr gibt? Diese Phasen zeigten sich dann auch in unserer Haufe-Suchmaschine bei den Online-Angeboten. Da konnten wir mitverfolgen, wie sich das verändert hat. Es gab zudem viele Unternehmen, die auf das Homeoffice nicht vorbereitet waren. Die hatten weder Vereinbarungen mit dem Betriebsrat noch die technischen Möglichkeiten. Ihre Mitarbeiter waren nicht mit den nötigen Mobilgeräten ausgestattet oder es war nicht möglich, von außen ins Intranet zu gelangen. Dazu gab es viele Fragen.
 
Wer tat sich am schwersten, auf Homeoffice umzustellen? Die kleinen Unternehmen, die großen oder die ganz großen?
Je größer die Unternehmen, desto besser waren sie vorbereitet – technischen und formal. Die mit 50 bis 250 Mitarbeitern taten sich im Schnitt ein wenig schwerer. Die ab 250 waren dann wieder ganz gut auf die Situation vorbereitet. Das sind auch die, die sich vermehrt in der Kategorie der Hoffnungsvollen finden.
 
Warum gerade die?
Bei den Hoffnungsvollen sehen ja gar nicht alle Daten gut aus. Die haben Umsatzeinbrüche zu verzeichnen, zum Teil bis in das nächste Jahr hinein. Aber sie fühlen sich insgesamt gut aufgestellt. Das ist der typische deutsche Mittelständler, der eben wahnsinnig viel Erfindergeist hat und sich ohnehin in den letzten 50 Jahren schon dreimal neu erfinden musste. Die gehen mit Herausforderungen anders um, weil sie die Schuld nicht bei anderen suchen und sich nicht in die Opferrolle begeben. Das ist auch meine persönliche Erfahrung aus Gesprächen mit Unternehmern.
 
In der Studie gibt es eine Top-10-Liste an Maßnahmen, die Unternehmen ergriffen haben, um die Krise zu überstehen. Auf Platz drei steht die Kostensenkung. Um welche Kosten geht es hier?
De facto werden wir aufgrund der vielfachen Umstellung auf Homeoffice schon einmal weniger reisen. Und weniger in Gebäude und Büros investieren müssen. Es wird aber andere Bereiche geben, wo wir mit Kostensteigerungen rechnen müssen. Denn natürlich hat man jetzt auch gemerkt, wie empfindlich manche Wertschöpfungs- und Lieferketten sind, die komplett auf Just-in-Time setzen. Da fällt dann der italienische Zulieferer aus und das nicht nur, weil Italien dicht gemacht hat, sondern weil der Zulieferer wiederum einen chinesischen Unterzulieferer hat. Es wird nun hoffentlich eine intelligente Diskussion darüber geben, wo Just-in-Time-Lieferketten aufrecht erhalten werden können und wo es Just-in-Case-Lösungen geben muss, um einen Lieferengpass für zwei, drei Monate zu überstehen. Das ist auch eine Chance von dem billiger-ist-besser wegzukommen und sich stattdessen zu fragen: Wer ist eigentlich ein verlässlicher Partner, mit welchen Lieferanten arbeite ich gut zusammen? Gleichzeitig sollte man auch selbstbewußter gegenüber den eigenen Kunden auftreten, die auch oftmals versuchen, noch einen letzten Cent rauszuholen.
 
Die Investitionsbereitschaft in Logistik und Lieferketten wurde ebenso abgefragt in der Studie. Sie ist den Unternehmen jedoch wesentlich weniger wichtig als Investitionen in die Digitalisierung, das Personal und ins Marketing. Für Sie scheint das aber ein wichtiges Thema.
Es kann nunmal nicht nur darum gehen, alles über Algorithmen zu optimieren. Am Ende des Tages brauche ich die richtigen Menschen und muss in Mitarbeiter und Organisationsstrukturen investieren. Wenn ich reine Zahlenmenschen habe, die nur Gewinne optimieren wollen, dann werden die andere Entscheidungen treffen als diverse Teams, die auf die Effizienz achten – aber eben auch auf Nachhaltigkeit.
 
Unternehmen werden aus der Krise also nachhaltiger hervorgehen?
Ich denke schon, dass es Branchen gibt, die sich massiv verändern werden – beispielsweise die Flugbranche. Lufthansa ist das beste Beispiel, hier hat sich jetzt ja sogar der Staat beteiligt. Die Zeit der 19-Euro-Flüge quer durch Europa ist nun hoffentlich vorbei. Es ist doch klar, dass ein 19-Euro-Ticket nicht nachhaltig ist. Eine Leistung muss auch einen Preis haben, die sie verdient. Natürlich soll sich keiner die Taschen ungebührlich vollstopfen. Es kann aber auch nicht sein, dass eine Leistung zu 90 Prozent unter den Kosten verkauft wird. Insofern hoffe ich natürlich auch, dass sich diese Branchen bereinigen und so ein vernünftiges Geschäftsmodell entsteht. Die Unternehmen können aber auch mit weniger Flügen zu vernünftigen Preisen profitabel sein.
 

Foto:© Haufe