Kollaborierende oder kollaborationsfähige Roboter? - Welche Rolle spielt die Mensch-Roboter-Kollaboration in der Praxis?

Tobias Kopp, Arndt Schäfer und Steffen Kinkel

Kollaborierende Roboter (sog. Cobots) gelten als Zukunftstechnologie für produzierende Unternehmen. Sie zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, eine sichere Hand-in-Hand-Zusammenarbeit mit Menschen ohne physische Trennung zu ermöglichen. In der Praxis finden sich zwar erste Anwendungsfälle, in denen Menschen mit Cobots interagieren, nur selten handelt es sich dabei allerdings um Kollaboration im engeren Sinne. Entsprechend stellt sich die Frage, welche Rolle die Kollaborationsfähigkeit von Cobots in der unternehmerischen Praxis spielt und wodurch der Mangel an kollaborierenden Anwendungsfällen begründet ist. Antworten darauf lieferten qualitative empirische Untersuchungen bei vier kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Rahmen des BMBF-Verbundprojekts ProBot.

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit typischerweise geringen Losgrößen und dadurch bedingten kurzen Umrüstzyklen ist die Vollautomatisierung mittels herkömmlicher Industrieroboter häufi g wirtschaftlich nicht sinnvoll. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich die Roboterforschung auf die Entwicklung sicherer Leichtbauroboter, welche die Zusammenarbeit mit dem Menschen ermöglichen und sich fl exibel an diesen anpassen [1]. Dank integrierter Sicherheitsfunktionen können Werker und Roboter ohne physische Schutzvorrichtungen direkt zusammenarbeiten. Durch diese direkte Interaktion lassen sich die jeweiligen Stärken von Mensch und Maschine zu einem überlegenen Gesamtsystem kombinieren [2]. Durch ihre leichte Konstruktionsweise und die häufi g sehr einfache Programmierung, bspw. durch Handführung, sind Cobots außerdem (orts-)flexibel einsetzbar und damit besonders für komplexe Produktionsbedingungen mit geringen Losgrößen, hoher Variantenvielfalt und starken Schwankungen geeignet.
 

Cobots im industriellen Umfeld: Status quo

Wie Bild 1 schematisch darstellt, besetzt die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) eine Nische zwischen rein manueller Arbeit und roboterbasierter Vollautomatisierung. Bevor die MRK technisch realisierbar wurde, empfahl es sich, manuelle Arbeit direkt durch die roboterbasierte Automatisierung abzulösen. Dies war bei Produktionsvolumina > Vman,Roboter wirtschaftlich sinnvoll. Mit der Einführung der MRK ist es nun bereits bei kleineren Produktionsvolumina (> Vman, MRK) ökonomisch ratsam, die bisher rein manuelle Arbeit um Cobots zu erweitern, also eine MRK-Lösung zu etablieren. Dabei ist zu bedenken, dass die menschliche Arbeitskraft bei der MRK im Gegensatz zur roboterbasierten Vollautomatisierung weiterhin direkt zur Wertschöpfung beiträgt. Erst beim Break-Even-Punkt VMRK ,Roboter ist es aus wirtschaftlicher Sicht geboten, auf konventionelle Industrieroboter zu setzen. Diese weisen im Normalbetrieb bei hohen Stückzahlen ohne Umrüstvorgänge eine höhere Performance im Vergleich zu Cobots auf, deren Arbeitsgeschwindigkeit aus Sicherheitsgründen begrenzt werden muss. Da sich der Schwellwert für das Produktionsvolumen, ab dem konventionelle Roboter die wirtschaftlichste Alternative darstellen, nach oben verschoben hat (VMRK, Roboter > Vman, Roboter), vergrößert sich letztlich der ökonomisch sinnvolle Einsatzbereich menschlicher Arbeitskraft, sei es in Form rein manueller Arbeit oder in Zusammenarbeit mit einem Cobot.
 

Bild 1: Schematische Darstellung der Eignung verschiedener Automatisierungsvarianten in Abhängigkeit von Stückkosten und Produktionsvolumen (in Anlehnung an [3]).

Sofern Cobots gemäß ihrer Bezeichnung als Realisierungswerkzeug für MRK anstatt als Methode der Vollautomation im isolierten Betrieb begriffen und verwendet werden, führen diese so gesehen zu einem längeren Erhalt der menschlichen Arbeit im Falle wachsender Produktionsvolumina [1]. Allerdings ist dies als schematische ceteris paribus-Betrachtung anzusehen, da die Kurvenverläufe von zahlreichen weiteren Faktoren abhängig sind, wie z.B. den gesunkenen und perspektivisch weiter sinkenden Anschaffungskosten sowohl für konventionelle als auch für kollaborationsfähige Robotik. Ferner bleiben bei dieser Betrachtungsweise nicht-monetäre Anreize zur Einführung von Automatisierungstechnologien wie die hohe Wiederholgenauigkeit oder die Attraktivierung der Arbeitsplätze unberücksichtigt.

Experten schreiben Cobots eine besonders gute Eignung für KMU und ein hohes Marktpotenzial zu [6]. Veröffentlichungen der vergangenen Jahre zeigen allerdings, dass dieses Potenzial in der Praxis nur zu einem geringen Grad ausgeschöpft [4-6] und von KMU auch nur in geringfügigem Umfang erkannt wird. Unabhängige empirisch validierte Erkenntnisse zur tatsächlichen Wirtschaftlichkeit und zu erzielten Effizienzsteigerungen liegen bis dato nicht vor [13]. Im Januar 2019 äußerte außerdem die International Federation of Robotics (IFR) die Vermutung, dass die Prognosen für das weltweite Marktwachstum kollaborierender Roboter „over-hyped“ seien [7]. Auch der Marktanteil kollaborativer Robotik mit ca. 4 % am Gesamtmarkt für die industrielle Robotik (Schätzung für 2017) liegt weltweit weiterhin auf einem niedrigen Niveau [7].

Diese Zahlen liefern keine Rückschlüsse darüber, ob die verkauften Cobots tatsächlich kollaborierend eingesetzt werden. Derzeit wird unscharf von MRK gesprochen, wenn Unternehmen Cobots ohne physische Schutzvorrichtung in ihrer Produktion betreiben und dabei eine Zusammenarbeit mit dem Menschen i. w. S. entsteht [8]. Dies vernachlässigt den Umstand, dass verschiedene Arten der Zusammenarbeit existieren, die u. a. stark unterschiedliche Anforderungen an die Sicherheitsvorkehrungen und die Mitarbeiterkompetenzen stellen [9, 10].
 

Verschiedene Arten der Interaktion

Bisher fehlt es an einer einheitlichen Taxonomie, um mögliche Arten der Mensch-Roboter-Interaktion (MRI) zu klassifizieren [9, 11]. Je nach Ansatz wird zwischen drei bis sechs Unterkategorien unterschieden [8, 9, 11, 12]. Bild 2 zeigt die wichtigsten Kollaborationsformen und deren Merkmale.

Bei der herkömmlichen Automatisierung besteht aufgrund der physischen Trennung der Roboterzelle vom Menschen kein gemeinsamer Arbeitsraum. Die niedrigste Stufe der MRI ist die Koexistenz. Hierbei fällt die trennende Schutzeinrichtung weg, sodass sich Mensch und Cobot zwar begegnen können, aber keinen gemeinsamen Arbeitsraum teilen. Ihre Begegnungen verlaufen zufällig und der Cobot stoppt seine Arbeit, sobald er einen Menschen in seinem Arbeitsraum detektiert [4, 11]. Ein physischer Kontakt ist nur im Betriebsstopp-Modus möglich [9]. Die Interaktion beschränkt sich demnach auf die Vermeidung von Kollisionen. Bei der Kooperation agieren Mensch und Roboter in einem gemeinsamen Arbeitsraum, befinden sich bei der synchronisierten, d. h. zeitlich aufeinander abgestimmten, Kooperation allerdings nie zeitgleich in demselben Arbeitsraum. Außerdem ist die Kooperation dadurch gekennzeichnet, dass einzelne Arbeitsschritte sequenziell durchgeführt werden und daher i. d. R. kein physischer Kontakt notwendig ist. Die höchste Stufe der Zusammenarbeit ist die Kollaboration, bei der Mensch und Roboter im gleichen Arbeitsraum bei einer gemeinsamen Arbeitstätigkeit gleichzeitig an einem Objekt arbeiten [9]. Während also Industrieroboter aus Sicherheitsgründen nur physisch getrennt von Menschen arbeiten, ermöglichen Cobots ein ganzes Spektrum an Varianten der Zusammenarbeit, das von Koexistenz bis Kollaboration reicht.

Bereits die Bezeichnung Cobot stellt die Kollaboration als Abgrenzungsmerkmal zu herkömmlichen Industrierobotern heraus. Gerade der industrielle Bereich gilt als überwiegende Einsatzdomäne kollaborierender Anwendungsfälle. Bei genauerer Analyse zeigt sich allerdings, dass sich in der Praxis kaum kollaborierende Anwendungsfälle finden [1, 13]. In einer Studie des Fraunhofer IAO wurden nur 2 von 25 betrachteten, im Produktivbetrieb eingesetzten Cobots in kollaborierenden Anwendungsfällen betrieben; wesentlich häufi ger fanden sich koexistente Kollaborationsformen [8]. Laut einer Erhebung unter Roboterherstellern gab es im Jahr 2016 deutschlandweit weniger als 100 produktiv umgesetzte kollaborierende Anwendungen [14]. Folgerichtig sprechen [6] von kollaborationsfähigen anstatt von kollaborierenden Robotern. Off enbar sind die Fragen nach geeigneten kollaborierenden Automatisierungsansätzen noch unzureichend geklärt [12]. Entsprechend stellt sich die Frage: Welche Rolle spielt die Kollaborationsfähigkeit von Cobots in der unternehmerischen Praxis?

Diese Frage wird nachfolgend auf Basis einer aktuellen qualitativen Feldstudie erläutert. In deren Rahmen wurden insgesamt 17 leitfadengestützte Experteninterviews mit 19 Unternehmensvertretern sowie vier Workshops mit je 6-10 Fertigungsmitarbeitern in vier produzierenden KMU mit Sitz in Baden-Württemberg durchgeführt. Die beteiligten Unternehmen sind den Branchen Landtechnik, Modell- und Formenbau, Metallverarbeitung und Elektro-, Blitz- und Überspannungsschutz zuzuordnen. Alle Unternehmen beschäftigen sich in einer frühen Phase mit der möglichen Einführung von Cobots und haben dafür potenziell geeignete Anwendungsszenarien in ihren Produktionsprozessen identifi ziert. Die Experten entstammten jeweils unterschiedlichen Unternehmensbereichen, sodass sich in Summe ein ganzheitliches Meinungsbild des Unternehmens ergab. Die Experten waren entweder bereits fi rmenseitig in die Überlegungen der Cobot-Einführung eingebunden oder wurden im Vorfeld der Interviews entsprechend thematisch eingeführt. Die Funktionen der Unternehmensvertreter umfassten kaufmännischer / technischer. Geschäftsführer, technischer Leiter / Produktionsleiter / F&E-Leiter, Personalleiter, Arbeitsvorbereitung / Vorarbeiter und Sicherheitsbeauftragter. Die Ergebnisse werden im Folgenden durch besonders plakative Originalzitate der interviewten Unternehmensvertreter ergänzt. Das Kürzel am Zitatende kennzeichnet jeweils in anonymisierter Form das Unternehmen und den Experten, von dem die Aussage stammt.
 


Bild 2: Übersicht über Interaktionsformen und deren Merkmale.

Kollaborationsfähigkeit stellt keine Anforderung dar

Hinsichtlich der Anforderungen an einen Cobot und dessen mutmaßlicher Vorteile ergab sich ein sehr homogenes Meinungsbild. In erster Linie wurden die Flexibilität und Mobilität sowie die einfache Bedienbarkeit des Cobots genannt. All diese Aspekte zielen darauf ab, den Cobot zeiteffizient auf verschiedene Arbeitsabläufe anpassen zu können, um eine aus wirtschaftlicher Sicht ausreichend hohe Auslastung zu ermöglichen. Dazu sind aus Expertensicht u. a. intuitive Programmiermöglichkeiten wie das Anlernen durch Handführung notwendig. Diese Anforderungen resultieren letztlich aus den typischen Produktionsbedingungen in KMU, die insbesondere durch kleine Losgrößen gekennzeichnet sind. Keiner der Experten benannte es als Vorteil oder Anforderung, dass ein Cobot durch seine technische Ausstattung kollaborierende Anwendungsfälle ermöglicht.

Womöglich könnten koexistente und kooperative Anwendungsfälle für den Einstieg in die Mensch-Cobot-Interaktion geeignet sein, um anschließend das volle Potenzial von Cobots in echt-kollaborierenden Anwendungsfällen zu erschließen [8]. So wünschte sich ein Experte, „einen Weg zu finden in den echten Kollaborationen“, da er dort „langfristig (…) ganz deutlich“ [U3E4] das größere Potenzial sehe. Erfahrungsgemäß seien aktuell noch gar nicht alle Einsatzmöglichkeiten absehbar, „[a]ber aus der Erfahrung heraus weiß ich schon, wenn mal sowas da ist und man hat neue Möglichkeiten, ergeben sich schlagartig viele Ideen, die wir heute eigentlich gar nicht abschätzen können oder sehen können oder begreifen können.“ [U1E2] Momentan überwiegen allerdings noch Hürden wie u. a. Bedenken in Hinblick auf die Arbeitssicherheit oder die Erstellung einer Risikoanalyse.
 

Mitarbeiterakzeptanz bei kollaborierenden Einsatzszenarien

Die Mitarbeiterakzeptanz gilt als entscheidender Einflussfaktor bei Technologieeinführungen im Allgemeinen bzw. bei Mensch-Cobot-Arbeitssystemen im Speziellen [6]. Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwiefern diese durch das höhere Maß an Interaktion und das teils menschenähnliche Erscheinungsbild von Cobots beeinflusst wird. Einige Unternehmensvertreter sahen keine Unterschiede zwischen der Einführung eines Cobots im Vergleich zu einer traditionellen Maschine. Andere vermuteten, dass kollaborierende Anwendungsfälle vergleichsweise weniger Ängste vor einem Arbeitsplatzverlust auslösen würden, weil Mensch und Maschine dabei „zusammen unterwegs“ seien, wohingegen bei nicht-kollaborierenden Anwendungsfällen „der Roboter ja schon in einer gewissen Autonomie arbeitet, was ja näher an der klassischen Automatisierung dran ist“ [U3E4]. Die Akzeptanz ließe sich auch dadurch befördern, dass ein „deutlich qualitativer Unterschied in der Tätigkeit“ [U3E1] des Mitarbeiters bzw. des Cobots und damit weiterhin ein Gefühl der Sicherheit und Wertschätzung bestehe. Letztlich falle die Akzeptanz interindividuell sehr unterschiedlich aus und sei nur bedingt beeinflussbar. So lasse es sich bspw. nicht verhindern, dass manche Mitarbeiter in der Teilautomatisierung mittels Cobot eine Vorstufe auf dem Weg zur Vollautomatisierung vermuteten:

„Wenn [der Cobot] diese Tätigkeit übernehmen kann, könnte er vielleicht auch meine übernehmen.“ [U3E1]

Außerdem sei es der Akzeptanz abträglich, wenn sich Mitarbeiter „getrieben“, „nicht wertgeschätzt“ [U3E1] oder „unter Druck“ [U4E3] fühlten, weil der Cobot zu schnell arbeite, sodass sie selbst nicht mithalten könnten.
 

Denkmuster aus der klassischen Automatisierung

Letztlich stellt sich die Frage, weshalb Unternehmensvertreter der Kollaborationsfähigkeit der Cobots keinen hohen Stellenwert zusprechen, obwohl mit dieser Technologie zusätzliche Einsatzmöglichkeiten sowie potenzielle Vorteile in der Mitarbeiterakzeptanz entstehen. In den Expertengesprächen zeigte sich, dass die Unternehmensvertreter häufig Denkmuster aus der klassischen Automatisierung auf Cobots übertragen. Das spiegelte sich u. a. in der Vorstellung wider, ein Cobot könne und solle im Gegensatz zu den Mitarbeitern rund um die Uhr eingesetzt werden:

„Ein Roboter muss laufen. 24-7 am besten. Alles andere ist eigentlich Verschwendung von Geld. Wenn man das nicht schafft, annähernd zu erreichen, ich glaube, dann lässt man es besser.“ [U1E3]

„Der kann 24 Stunden arbeiten, sieben Tage und so weiter. Ich sehe im Moment, ganz ehrlich, keinen echten Zeitgewinn in Zusammenarbeit mit dem Menschen.“ [U4E3]

Erwartete positive Auswirkungen des möglichen Cobot-Einsatzes orientierten sich ebenfalls häufi g an klassischen Produktivitäts- und Qualitätskennzahlen, die insbesondere durch das Ausbleiben von mitarbeiterbedingten Schwankungen verbessert werden sollen:

„[A]uf Qualitätskennzahlen hat er bestimmt einen Vorteil, der macht keine Fehler. Der macht immer die gleiche Tätigkeit und die macht er sehr präzise. Also, hat er auf jeden Fall Vorteile auf betriebliche Kennzahlen. [Ein Cobot] ist nicht krank, es ist vieles besser planbar, ja gut, er kann ausfallen. Aber es ist schon besser planbar wie ein Mitarbeiter, der halt auch mal einen guten Tag und einen schlechten Tag hat. Einen Tag mit guter Produktivität und einen Tag mit schlechter Produktivität. Hat alles Vorteile auf die Kennzahlen, klar.“ [U1E3]
„Ich könnte mir vorstellen, dass wir eine bessere Qualität mit einem Roboter hinbekommen, weil gewisse Arbeiten, wo halt der Mensch dann jeden Tag ein bisschen unterschiedlich sein kann, wo der Roboter halt zuverlässiger ist.“ [U2E1]

Diese Beschreibungen orientierten sich zumeist an konkreten koexistenten oder kooperativen Anwendungsideen und ließen die Vorteile und Einsatzfelder der MRK weitestgehend unberücksichtigt. Erst auf konkrete Nachfrage erdachten die Experten nützliche kollaborierende Szenarien und refl ektierten ihr mangelndes Bewusstsein für kollaborierende Anwendungsfälle:

„Ja, vielleicht denke ich da noch nicht so wirklich kollaborierend, sondern schon auch noch eher klassisch.“ [U1E3]
„Wir denken ja aktuell immer noch in dieser Automatisierung, aber vielleicht ist ja genau dieses Zusammenspiel die beste [Lösung] - oder es wird sicherlich bestimmt öfters die beste Lösung sein.“ [U1E2]

Diese klassischen Denkmuster vermitteln das irreführende Bild eines Cobots als Automatisierungstechnologie und verstellen den Blick auf die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten, die durch deren Kollaborationsfähigkeit entstehen.
 

Zusammenfassung

Für viele Unternehmensvertreter und Mitarbeiter sind Anwendungsfälle entlang des vollen Spektrums von Koexistenz bis zu echter Kollaboration vorstellbar. Kollaborierenden Anwendungsfällen wird mitunter ein besonders hohes Potenzial sowie eine hohe Akzeptanz in der Belegschaft zugesprochen. Allerdings sind sie im Denken der Unternehmensvertreter noch wenig präsent. Anstatt dessen werden häufig fest verankerte Denkmuster aus dem Kontext der klassischen Automatisierung auf Cobots übertragen und behindern damit deren Einführung, besonders im Rahmen kollaborierender Anwendungsszenarien. Vielfach stehen eine hohe Auslastung, eine hohe Flexibilität im Einsatz durch einfache Umrüstbarkeit und eine geringe Amortisationsdauer im Vordergrund. Gegenwärtig lässt sich also konstatieren, dass Cobots zwar kollaborationsfähig sind, aber selten kollaborierend eingesetzt oder aufgrund ihrer Kollaborationsfähigkeit bevorzugt werden. Diese explorativen Erkenntnisse verfügen vor dem Hintergrund der limitierten Anzahl untersuchter Unternehmen über eine eingeschränkte Aussagekraft und Verallgemeinerbarkeit. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen zur Ursachenanalyse sowie mehr Aufklärungsarbeit, inspirierende sowie praktisch erprobte Anwendungsfälle und eine Abkehr von konventionellem Automatisierungsdenken auf Unternehmensseite sind notwendig, um den Weg für tatsächlich kollaborierende Cobot-Anwendungsfälle in der Praxis zu ebnen.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts ProBot. Das Forschungsprojekt ProBot wird im Rahmen des Programms „Zukunft der Arbeit“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert (Förderkennzeichen 02L17C550) und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröff entlichung liegt bei den Autoren.

Beitrag als pdf herunterladen

Schlüsselwörter:

Kollaborierende Roboter, Cobots, Mensch-Roboter-Interaktion, industrielle Roboter, Produktion

Literatur:

[1]  Steil, J. J.; Maier, G. W.: Kollaborative Roboter: universale Werkzeuge in der digitalisierten und vernetzten Arbeitswelt. In: Maier, G. W.; Engels, G.; Steffen, E. (Hrsg): Handbuch Gestaltung digitaler und vernetzter Arbeitswelten. Berlin Heidelberg 2017.
[2]  Selevsek, N.; Köhler, C.: Angepasste Planungssystematik für MRK-Systeme. In: ZWF Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 113 (2018) 1-2, S. 55-58. [3]  Matthias, B.; Ding, H.: Die Zukunft der Mensch-Roboter Kollaboration in der industriellen Montage. In: Conference: Internationales Forum Mechatronics (ifm) 2013. Winterthur, Schweiz. 2013.
[4]  Dieber, B.; Schlotzhauer, A.; Brandstötter, M.: Safety & Security – Erfolgsfaktoren von sensitiven Robotertechnologien. In: e & i Elektrotechnik und Informationstechnik 134 (2017) 6, S. 299-303.
[5]  Oubari, A.; Pischke, D.; Jenny, M.; Meißner, A.; Trübswetter, A.: Mensch-Roboter-Kollaboration in der Produktion. In: Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb (2018) 9, S. 560- 64.
[6]  Görke, M.; Blankemeyer, S.; Pischke, D.; Oubari, A.; Raatz, A.; Nyhuis, P.: Sichere und akzeptierte Kollaboration von Mensch und Maschine. In: ZWF Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb 112 (2017) 1-2, S. 41-45.
[7]  IFR Secretariat Blog: IFR publishes collaborative industrial robot defi nition and estimates supply. URL: https://ifr.org/ post/international-federation-of-robotics-publishes-collaborative-industrial-rob, Abrufdatum 11.09.2019.
[8]  Bender, M.; Braun, M.; Rally, P.; Scholtz, O.: Leichtbauroboter in der manuellen Montage - einfach einfach anfangen. Erste Erfahrungen von Anwenderunternehmen. Stuttgart 2016.
[9]  Aaltonen, I.; Salmi, T.; Marstio, I.: Refi ning levels of collaboration to support the design and evaluation of human-robot interaction in the manufacturing industry. In: Procedia CIRP 72 (2018), S. 93-98.
[10]  Wischniewski, S.; Rosen, P. H.; Kirchhoff , B.: Stand der Technik und zukünftige Entwicklungen der Mensch-Roboter-Interaktion: GfA-Frühjahrskongress. Dortmund 2019.
[11]  Onnasch, L.; Maier, X.; Jürgensohn, T.: Mensch-Roboter-Interaktion - Eine Taxonomie für alle Anwendungsfälle. Dortmund 2016.
[12]  Malik, A. A.; Bilberg, A.: Developing a reference model for human–robot interaction. In: International Journal on Interactive Design and Manufacturing (IJIDeM) 30 (2019) 5, S. 1541–1547.
[13]  Hegenberg, J.; Schimpf, D. W.; Fischer, N.; Schmidt, L.: Pilotstudie zur Roboterunterstützung des Menschen bei manueller Montage: GfA-Frühjahrskongress. Dortmund 2019.
[14]  Steiger, H.; Hartbrich, I.; Schmitz, W.: Mensch, Roboter! In: VDI Nachrichten (2016) 3, S. 1.