Konsolidierung von Emissionsindikatoren - Ermittlung der THG-Effizienz von diversifizierten Logistikdienstleistern

Wolf Lampe

Komplexe Lieferketten funktionieren im engen Zusammenspiel von Logistik und Produktion. Daraus erwachsen besondere Anforderungen, wenn die Qualifikation eines diversifizierten Logistikdienstleisters zur Senkung von Energieverbräuchen und Treibhausgas (THG) bzw. CO2-Emissionen betrachtet werden soll: Seine Leistungspalette erschwert die Ermittlung eines einheitlichen Indikators zur spezifischen CO2-Emission, der für alle erbrachten Logistikleistungen eine befriedigend hohe Korrelation zwischen Treibhausgasemission und Ausprägung der betrieblichen Prozesse aufweist.

Den Bedarf für einen neuen Ansatz subsumiert die Fragestellung: Wie lässt sich Emissionseffizienz bei Lagerung, Kommissionierung, Konsolidierung, Transport und produktionsnahen Tätigkeiten oder Güterumschlag im Seehafen aggregieren, um Aussagen über die Energieeffizienz eines gesamten Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe zu ermöglichen?
Im Folgenden wird die Berechnung der gewichteten mittleren Veränderung als Lösung des Aggregationsproblems vorgestellt.
Aussagen über die Wirkung von ökologisch motivierter Prozessoptimierung sind nur möglich, wenn CO₂ relevante Verbräuche über – möglichst standardisierte – Leistungsgrößen vergleichbar gemacht werden. Die Erfassungssystematik für Ressourcenverbräuche muss zusätzlich so ausgelegt sein, dass das Energiemanagement der Standorte unterstützt wird und parallel kommunikationstaugliche, d. h. auch konsolidierte Indikatoren erzeugt werden.
Konsolidierte Indikatoren ermöglichen auch die Festlegung von übergeordneten Zielvorgaben für Geschäftsbereiche, Unternehmen und Unternehmensgruppen.
Mit der seit April 2015 in Deutschland gesetzlich verankerten Pflicht zur Durchführung eines Energieaudits bzw. der Zertifizierung eines Energiemanagements für große Unternehmen [1], zu denen auch die Mehrzahl der Kontraktlogistiker zählt, und der ab 2017 geltenden Berichtspflicht für entsprechende Indikatoren im Geschäftsbericht [2] intensiviert sich die Beschäftigung mit Energieverbräuchen in dieser Branche. Ein weiterer Treiber ist das Interesse der Kunden an den Emissionen ihrer Dienstleister [3] und des Konsumenten am ökologischen Fußabdruck eines Produkts, der zwangsläufig Logistikanteile enthält.
Die Erstellung einer CO₂-Bilanz ist kein Selbstzweck, sondern die Basis für eine kontinuierliche Verminderung von CO₂ relevanten Ressourcenverbräuchen. Das Unternehmen legt dementsprechend seine CO₂-Ziele auf der Basis von Leistungsgrößen fest, die versprechen, auch mindestens mittelfristig noch die Veränderungen der Betriebsprozesse abzubilden. Vorausschauende Auswahl sollte einen Wechsel des Indikators verhindern – beispielsweise von kg CO₂ pro umgeschlagenen Container zu kg CO₂ pro umgeschlagenem TEU (Twenty- Foot-Equivalent Unit – ein 40‘-Seecontainer entspricht 2 TEU). Ein solcher Wechsel erlaubt Betrachtungen über den Wechsel überspannende Zeiträume nur nach rückwirkender Anpassung des Indikators. Auch die Umrechnungsfaktoren von Ressourcenverbrauch zu CO₂-Emission sollten den Industriestandard abbilden. Für Produktion [4-6] und Transportdienstleistungen [7] haben sich inzwischen sowohl Umrechnungsfaktoren als auch Indikatoren etabliert.
Kontraktlogistiker wie BLG LOGISTICS sind wegen ihres großen Aktivitätenportfolios mit anspruchsvollen Herausforderungen konfrontiert:
1. Für eine gesamtheitliche Beurteilung der ökologischen Nachhaltigkeit des Unternehmens und die Festsetzung „griffiger“ Zielgrößen sind die Aggregation der Leistungsgrößen und die Reduzierung auf wenige, nachvollziehbare Kernaussagen sinnvoll. Ein gutes Beispiel ist die Zielsetzung des Containerterminal- Betreibers EUROGATE: Reduzierung des Energieverbrauches pro umgeschlagenen Container um 20 %, Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes gegenüber dem Jahr 2008 um 25 % bis zum Jahr 2020 [8]. Eine solche umfassende Aussage wäre bei einem Kontraktlogistiker, der unterschiedliche Prozesse mit unterschiedlichen Gütern und Verpackungen abbildet, nur über eine gewichtete Aggregation zu einer künstlichen Leistungsgröße möglich, wie etwa „Reduzierung des gewichteten Durchschnittswerts von 50g CO₂ pro Logistikereignis um 20 % bis zum Jahr 2020“. Solch ein konstruierter Indikator würde Tendenzen sachlich richtig abbilden, aber wenig anschaulich sein.
2. Die verwendeten Leistungsgrößen müssen die unterschiedlichen Ausprägungen und voraussehbaren Entwicklungen des betrachteten Geschäftsprozesses abbilden [9]. Wenn sich beispielsweise bei konstantem Durchfluss von Einzelteilen durch ein Logistikzentrum wertschöpfende, aber teilweise energieintensive Aktivitäten mehren, steigt der CO₂-Ausstoß pro Teil, während der CO₂-Ausstoß pro Aktivität möglicherweise sinkt. Hier ist ein Korrekturfaktor für die Fertigungstiefe denkbar. Wegen ihrer nur mittelbaren Korrelation zu den Geschäftsaktivitäten sind Umsatz, Gewicht der bewegten Güter oder Fläche der Logistikimmobilie in der Regel unbefriedigende Leistungsgrößen.
3. Für den Kontraktlogistiker ist im Kontext eines Energiemanagements die Verbrauchsoptimierung von Prozessen und Anlagen relevant. Er wird als Leistungsgröße also eine leicht zu erfassende Leistungsgröße wählen, die für möglichst viele Aktivitäten aussagekräftig ist bzw. eine möglichst hohe Korrelation zum Umfang der energieverbrauchenden Aktivitäten aufweist. Denkbar sind u. a. ausgeführte Picks, kommissionierte Sendungen, gepackte Kartonagen, Gebinde und Ladungsträger (Kleinladungsträger, Sonderladungsträger, Paletten, Container). Grundsätzlich ist damit zu rechnen, dass das produzierende Gewerbe zukünftig den CO₂-Ausstoß für den vom Logistikdienstleister verantworteten Teil der Lieferkette in Relation zu der von ihm selbst verwendeten Leistungsgröße abfragen wird, die nicht unbedingt identisch mit der Leistungsgröße ist, deren Verwendung die Energieeffizienz des Logistikdienstleisters präzise abbildet. Bei einer solchen Einbindung in das Life-Cycle- Management seines Kunden ist dementsprechend die Ermittlung der vom Original Equipment Manufacturer (OEM) in der Automobilindustrie immer und bei anderen Herstellern in der Regel verwendeten „Emission pro produzierte Einheit“ gefordert. Es sind aber auch andere spezifische Indikatoren wie „Emission pro Produktgewicht“, d. h. kg CO2/kg Produktgewicht, denkbar – ein Hersteller von Armaturen ermittelt diese Leistungsgröße beispielsweise als die Aussagekräftigste für seine Herstellungsprozesse, da Größe und Komplexität der Armaturen korrelieren und den bei der Produktion entstehenden CO₂-Ausstoß stark beeinflussen.
 

Ermittlung relativer Tendenzen und Konsolidierung von Tendenzen

Zusammengefasst besteht die sich ergebende Herausforderung in der praxisnahen Abbildung von spezifischen Emissionen an Standorten mit sehr unterschiedlichen Aktivitätsprofilen und der Ermittlung von organisationsübergreifenden Aussagen zur Entwicklung von spezifischen Emissionen. Ein Lösungsansatz ist die individuelle Betrachtung von Standorten – oder von hinsichtlich ihrer Energieverbräuche und Aktivitäten klar abgrenzbaren Standortteilen – und die jeweilige Ermittlung eines spezifischen Emissionsindikators. Zur Konsolidierung der einzelnen Indikatoren der Standorte werden die relativen Veränderungen nach der Größe der jeweils aktuellsten CO2-Emission des Standorts im Vergleich zur Gesamtemission gewichtet.

Die gewichtete mittlere relative Veränderung der CO2-Emissionen an allen Standorten eines Kontraktlogistikers lässt sich dann nach der Formel aus Bild 1 berechnen.


Bild 1: Formel zur Berechnung der gewichteten mittleren
spezifischen Veränderung der CO2-Emission einer
Anzahl von Standorten.

Legende:

δ – Gewichtete mittlere Veränderung der CO2-Emissionen
G – Emission
L – Leistungsgröße für Standort
A – Index aktuelles Jahr
B – Index Bezugsjahr
I – Standortindex
N – Anzahl der Standorte
Gges – Gesamtemission aller Standorte
 
Ein an die Praxis der BLG LOGISTICS angelehntes Beispiel (Bild 2 und Bild 3) verdeutlicht das Vorgehen. Betrachtet werden drei Standorte, für die eine Gesamtaussage zur Entwicklung der spezifischen CO2e-Emission getroffen werden soll (die Ermittlung des Treibhauspotenzials (CO2e) schließt im Gegensatz zur Betrachtung der reinen CO2-Emission auch die u. a. bei Stromerzeugung und Betrieb von Anlagen entstehenden weiteren Treibhausgase ein [10]).
Die Standorte sind Teil der Unternehmensgruppe, die sich ein Reduktionsziel von 2,5 % jährlich gesetzt hat.


Bild 2: Beispiel für Konsolidierung von spezifischen Veränderungen der Emissionen durch
Ermittlung einer gewichteten mittleren Veränderung.

Standort A – Lagerhaltung und Kommissionierung von Fahrzeugteilen, Automatisches Kleinteilelager (AKL). Die absolute CO2e-Emission im betrachteten Zeitraum ist um 56 % gestiegen. Der bedeutendste Energienutzer des Standorts ist das AKL; als Leistungsgröße wird die Anzahl von kommissionierten Kabelsätzen ermittelt. Im Betrachtungszeitraum hat sich der Durchsatz um 60 % erhöht; die spezifische Emission sank um 2,5 %.
Standort B – Lagerhaltung, Kommissionierung, Kleinladungsträger (KLT)-Waschanlage. Die absolute CO2e-Emission im betrachteten Zeitraum ist um 4 % gesunken; als Leistungsgröße wird die Anzahl der gereinigten KLT ermittelt, da die durch den Reinigungsprozess bedingte Energienutzung sich signifikant auf die Energienutzung des Standorts auswirkt. Im Betrachtungszeitraum hat sich der Durchsatz um 6 % erhöht; die spezifische Emission wurde um 9,5 % reduziert.
Standort C – Lagerhaltung und Bereitstellung zum Versand von „Weißer Ware“ (Haushaltsgeräte). Die absolute CO2e-Emission im betrachteten Zeitraum ist um 14 % gestiegen. Am Standort werden keine Anlagen betrieben; nur Flurförderzeuge, Beleuchtung und Klimatech-nik nutzen elektrische Energie. Leistungsgröße ist die Anzahl von Colli im Wareneingang und -ausgang. Im Betrachtungszeitraum hat sich der Durchsatz um 15 % erhöht; die spezifische Emission sank um 1 %.
Für die Beispielsrechnung weist die Summe der gewichteten Mittelwerte eine durchschnittliche Reduktion von 6,2 % aus. Das Gruppenziel von 2,5 % wurde im Betrachtungszeitraum übertroffen, obwohl einer der drei herangezogenen Standorte sein individuelles Ziel nicht erreichte.
Analog lassen sich auch die Indikatoren für die Energieeffizienz einzelner Prozesse zu Standort- Indikatoren und die der Standorte zu Unternehmens- Indikatoren konsolidieren – eine wesentliche Voraussetzung für ein über quantitative Reduktionsziele gesteuertes Energiemanagement.

 


Bild 3: Veröffentlichtes Geräteabbild eines Yaskawa MH5-Roboters, welches für eine
hardwareunabhängige Steuerung und semantisch standardisierte Datenakquise genutzt wird.

 

Fazit

Die quantitative Entwicklung der spezifischen Emissionen eines großen Unternehmens oder eines Unternehmensverbunds ist mittels gewichteter Mittelwertbildung darstellbar und gut kommunizierbar. Dadurch entfällt die Notwendigkeit, eine – für Standorte mit unterschiedlich ausgeprägten Aktivitäten – einheitliche Leistungsgröße zu identifizieren, die für den so ermittelten Indikator das Risiko einer unzureichenden Korrelation zwischen betrieblichen Aktivitäten und resultierenden Emissionen birgt. Stattdessen erzeugt eine individuelle Gestaltung von Emissionsindikatoren eine hohe Aussagekraft für die Entwicklung am jeweiligen Standort.
Diese gewichtete Mittelwertbildung ist auch eine Option für die Steuerung von Verbrauchsoptimierung in Logistikkonzernen durch Zielvorgaben für Emissions- oder Energiereduktion und letztlich auch für die Konsolidierung anderer, nicht energetischer Kennzahlen. Der Erfüllungsgrad von pauschal für das Unternehmen und seine Standorte festgelegten Reduktionszielen kann an den Standorten individuell ermittelt und dann gewichtet konsolidiert werden. 
 

Schlüsselwörter:

Konsolidierung von Indikatoren, Kontraktlogistik, CO2-Bilanz, CO2-Fußabdruck, Energienutzung, Energieverbrauch, Energiemanagement

Literatur:

[1] Bundesgesetzblatt: Gesetz über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen vom 4. November 2010 (BGBl. I S. 1483), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. April 2015 (BGBl. I S. 578) geändert worden ist. Bonn 2015.
[2] Amtsblatt der Europäischen Union: Richtlinie 2014/95/EU zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen. 2014.
[3] Straube, F; Wutke, S.; Doch, S.: Nachhaltigkeit in der Logistik. In: Industrie Management 29 (2013) 5, S. 7-10.
[4] British Standards Institution: Specification for the assessment of the life cycle greenhouse gas emissions of goods and services. London 2011.
[5] ISO International Organization for Standardization: Greenhouse gases – Carbon footprint of products – Requirements and guidelines for quantification and communication (ISO/TS 14067:2013).
[6] DIN Deutsches Institut für Normung: Treibhausgase – Teil 1: Spezifikation mit Anleitung zur quantitativen Bestimmung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen und Entzug von Treibhausgasen auf Organisationsebene. 2014.
[7] DIN Deutsches Institut für Normung: Methode zur Berechnung und Deklaration des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen. 2013.
[8] EUROGATE GmbH & Co. KGaA: Unser Engagement für die Umwelt. URL: http://www1. eurogate.de/Ueber-uns/Umwelt, Abrufdatum 23.06.2016.
[9] Kals, J.: Energiecontrolling – Energiebilanzen in Unternehmen und Wertnetzen. In: Gleich, R. (Hrsg): Energiecontrolling: Energiekosten systematisch steuern und senken. Freiburg München 2014, S. 105-123.
[10] Kranke, A.; Schmied, M.; Schön, A. D.: CO2-Berechnung in der Logistik. München 2011.